Veröffentlicht: Mai 2024
Selten gab es ein Jahr, in dem die ethischen Debatten von einem Thema ethisch so stark geprägt waren wie das Jahr 2023 vom Thema Künstliche Intelligenz (KI). Der am Jahresende 2022 veröffentliche Chatbot ChatGPT machte der breiten Öffentlichkeit mit einem Schlag klar, welche Möglichkeiten sich hinter dem Schlagwort KI verbergen, aber auch welche Risiken damit verbunden sein können.
Passend zu dieser intensiven öffentlichen Debatte legte der Ethikrat am 20. März mit der Veröffentlichung der Stellungnahme „Mensch und Maschine – Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz“ sein Papier zu einem Zeitpunkt vor, der besser nicht hätte sein können. Darin befasst sich der Ethikrat mit der Frage, wie KI unsere Leben verändert und was wir tun können, um diesen Prozess jetzt und zukünftig gut zu gestalten. Gestartet hatte der Ethikrat die Bearbeitung des Themas bereits Ende 2020 auf Bitte des damaligen Bundestagspräsidenten Dr. Wolfgang Schäuble, der leider am 26. Dezember 2023 verstorben ist.
Neben dem Dauerthema KI befasste sich der Ethikrat in zwei Arbeitsgruppen mit der Erarbeitung von neuen Stellungnahmen. Im Rahmen der Ende 2022 begonnenen Bearbeitung des Themas Klimaethik führte der Ethikrat im Februar und Mai zwei öffentliche Anhörungen durch. Am 23. Februar wurden dabei insbesondere Experten gehört, die sich mit Gerechtigkeitsfragen im Kontext des Klimawandels befassen. Bei der Anhörung am 25. Mai ging es dem Ethikrat darum, vom Klimawandel betroffene Menschen zu Wort kommen zu lassen und die Art und Weise, wie der mediale Diskurs über den Klimawandel geführt wird, in den Blick zu nehmen.
Eine im März eingerichtete Arbeitsgruppe des Ethikrates befasst sich seither mit dem Thema „Normalitätsvorstellungen in den Lebenswissenschaften“. Was als „normal“ aufzufassen ist, steht keineswegs fest, sondern ist kontextabhängig und einem fortwährenden Wandel unterworfen. Im Rahmen der geplanten Publikation will sich der Ethikrat mit der Frage befassen, welche Machtverhältnisse und Prozesse für das Entstehen und Vergehen von Normalitätsvorstellungen eine Rolle spielen.
Hierzu hörte der Ethikrat am 20. Oktober und 16. November drei Sachverständige an und befasst sich dabei insbesondere Fragen der Normalität und Anormalität im Kontext psychischer Gesundheit sowie den Prozessen, die in einer Gesellschaft zu einer Übereinkunft führen, was als normal gilt.
Neben diesen öffentlichen Anhörungen führte der Ethikrat eine Reihe weiterer öffentlicher Veranstaltungen durch.
Am 22. März diskutierte der Ethikrat beim Forum Bioethik über das Thema „Patientenorientierte Datennutzung“. Hiermit wollte der Ethikrat in der öffentlichen Debatte im Zuge der Diskussion um den „European Health Data Space“ und dem zu diesem Zeitpunkt in Vorbereitung befindlichen Gesundheitsdatennutzungsgesetz einen Impuls setzen.
Bei der öffentlichen Jahrestagung des Ethikrates am 21. Juni stand das Thema „One Health: Gesundheit für alle(s)?“ im Fokus der Diskussion. Der Begriff „One Health“ beschreibt den ganzheitlichen Ansatz, die Gesundheit des Menschen als verknüpft mit der Gesundheit von Tieren und unserer Umwelt zu betrachten. One Health hat insbesondere durch die Corona-Pandemie an Aufmerksamkeit gewonnen.
Die Herbsttagung des Ethikrates am 15. November in Erfurt nahm dann unter der Überschrift „Lost in Metaverse? Zur Verschränkung realer und digitaler Welten“ die zunehmende Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft in den Blick. Auch bei dieser Veranstaltung stand das Thema KI im Fokus der Debatte. Neben hervorragenden Vorträgen konnten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dabei auch an 15 praktischen Beispielen über die schon jetzt existierenden Möglichkeiten im „Metaverse“ informieren.
Und zum Jahresabschluss befasste sich der Ethikrat bei seinem Web-Event „KI im Klassenzimmer – Ethische Frage zu ChatGPT und Co.“ noch einmal direkt mit den Einsatzmöglichkeiten von KI im Bildungsbereich und den damit verbunden ethischen Fragestellungen. Dabei nahmen über 1.000 Zuschauerrinnen und Zuschauer online an der Diskussion mit drei Expertinnen teil und zeigten damit noch einmal, welche Bedeutung dieses Thema für die Gesellschaft hat.
Der vorliegende Bericht umfasst gemäß § 2 Abs. 4 Ethikratgesetz die Aktivitäten des Deutschen Ethikrates und den Stand der gesellschaftlichen Debatte im Zeitraum von Januar bis Dezember 2023.