Ethikrat diskutierte über Folgen der Eizellspende
Immer wieder nehmen Paare Angebote von Kliniken im Ausland wahr, um ihren Kinderwunsch mithilfe von Reproduktionstechnologien zu erfüllen, die in Deutschland verboten sind. Dazu gehört auch die Eizellspende. Da in vielen der Länder, in die Kinderwunschpaare reisen, die Eizellspenderinnen anonym sind, wird den auf diese Weise gezeugten Kindern die Wahrnehmung ihres elementaren Rechts auf Wissen um die eigene Herkunft verwehrt. Zwar können die Eltern ihr Kind über die Art seiner Entstehung aufklären, aber das Faktum der Anonymität können sie nicht ändern, was in psychosozialer Hinsicht hochproblematisch sein kann.
In seinem Grußwort betonte Peter Dabrock, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, man müsse „Fragen der Gestaltung und damit auch der rechtlichen Gestaltung unserer Gesellschaft im Blick behalten, freiheitsfunktional und sensibel für besonders vulnerable Menschen und Gruppen“. Vor diesem Hintergrund müsse man sich auch die Frage stellen: „Ist es eigentlich fair und nachvollziehbar, wenn wir Samen- und Embryospende erlauben oder als rechtlich möglich ansehen und die Eizellspende verbieten? Trägt diese Unterscheidung? Was begründet sie?“
Anhand zweier Fallbeispiele erläuterte der Humangenetiker Wolfram Henn, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, dass die Diskussion über die Eizellspende keine abstrakt-theoretische sei, sondern für alle Beteiligten ganz konkrete Fragen aufwerfe, die es zunächst zu strukturieren gilt.
Ratsmitglied Petra Thorn, die als Paar- und Familientherapeutin Frauen und Paare auch zu Fragen der Eizellspende berät, erläuterte, weshalb die Eizellspende ein sehr umstrittenes Verfahren ist: „Die Spenderinnen gehen aufgrund des erforderlichen medizinischen Eingriffs ein Risiko für die eigene Gesundheit ein. Zwischen den Empfängerpaaren und den Spenderinnen besteht ein Einkommensgefälle, und viele Frauen spenden wahrscheinlich nicht nur aus altruistischen, sondern auch finanziellen Gründen.“
Die Ethnologin Michi Knecht von der Universität Bremen berichtete über den Stand empirisch-ethnografischer Forschungen zur Frage der grenzüberschreitenden Reproduktionstechnologien sowohl aus der Perspektive der ins Ausland reisenden Paare mit Kinderwunsch als auch aus der Sicht der Frauen, die diese Dienstleistungen im Ausland anbieten. Die Weltkarten der internationalen Reproduktionsmedizin seien stark in Bewegung geraten und auf der Basis ökonomischer und rechtlicher Asymmetrien entständen große kommerzielle Märkte. Man müsse sich fragen, so Knecht, ob durch Reproduktionsmobilität „reicher“ Frauen und Paare die Gesundheitsrisiken auf Frauen in Ländern mit niedrigeren Einkommen verschoben würden und ob eine restriktive nationale Gesetzgebung wie die deutsche – wenngleich unbeabsichtigt – zur Folge habe, dass Ausbeutungsrisiken in andere Länder verlagert würden.
Aus der Sicht der Familienforscherin Birgit Mayer-Lewis von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, die über die individuelle Perspektive und den gesellschaftlichen Kontext von Familien nach Eizellspenden referierte, ließen sich in den wenigen aus dem Ausland vorliegenden Studien keine Hinweise auf negative Auswirkungen einer mit einer Eizellspende einhergehenden „gespaltenen Mutterschaft“ auf die Kindes- und Familienentwicklung finden. Bei der Bewältigung des Familienalltags zeigten sich allerdings Probleme, vor allem hinsichtlich des Umgangs mit multipler Elternschaft, der Aufklärung des Kindes und der biografischen Integration der Zeugungsgeschichte.
Im folgenden, von Ratsmitglied Andreas Lob-Hüdepohl moderierten Streitgespräch über den ethisch angemessenen Umgang mit den bestehenden Problemen diskutierten die Philosophin Susanne Lettow von der Freien Universität Berlin und die Medizinethikerin und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates Claudia Wiesemann. Susanne Lettow forderte, dass die Diskussion über die mit dem „reproduktiven Reisen“ verbundenen ethischen Fragen nicht nur auf die Akteure im Inland fokussiert sein dürfe, sondern – ausgehend vom Prinzip der Gleichheit und der Kritik von Dominanzverhältnissen – die Situation der Eizellspenderinnen im Ausland einbeziehen müsse.
Aus Sicht von Claudia Wiesemann wirft das transnationale reproduktive Reisen ein massives Gerechtigkeitsproblem auf – bezüglich der gesundheitlichen Versorgung der Spenderinnen, über die es keine Kontrolle gebe, bezüglich der Nichtverfügbarkeit des Verfahrens für finanziell schwächer gestellte Paare in Deutschland und auch bezüglich der Ungleichbehandlung von Samen- und Eizellspende in Deutschland. Sie verwies auf die Verantwortung der Gesellschaft für die Rechte des Kindes und die Gesundheit der Spenderinnen und forderte die Ermöglichung einer guten Beratung ohne Kriminalisierungsgefahr. Konsequenter sei allerdings, so Wiesemann, die Aufhebung des Verbots der Eizellspende im Embryonenschutzgesetz.
Die abschließende, auch für das Auditorium geöffnete Podiumsdiskussion der vier Referentinnen mündete in die vielfach geäußerte Einsicht, dass hierzulande die Beratungsangebote zu Fragen der Eizellspende entkriminalisiert und ebenso wie die psychosoziale Betreuung der Kinderwunschpaare ausgebaut werden müssten.
Das Programm und die Beiträge der Anhörung finden Sie unter "Forum Bioethik".