Pressemitteilung 01/2024

Ethikrat: Lasten im Kampf gegen den Klimawandel gerecht verteilen

Heute stellt der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme zur Klimagerechtigkeit vor. Darin behandelt der Rat zentrale Fragen der Gerechtigkeit und Verantwortung im Kampf gegen den Klimawandel und formuliert 13 Empfehlungen, wie die Klimawende gerecht gestaltet werden kann.
13.03.2024

„Die Bewältigung des Klimawandels und seiner Folgen ist eine gesellschaftliche Mammutaufgabe: Wie können wir dabei die Lasten gerecht verteilen? Wer trägt die Verantwortung? Und was können wir tun, damit uns allen dabei nicht die Puste ausgeht?“, erklärt Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. „Da sind alle gefragt – Parteien, Zivilgesellschaft, Medien, Wissenschaft –, um neue Perspektiven für ein gutes Leben in einer nachhaltigen und klimaneutralen Gesellschaft ohne weiteres Wachstum von Konsum und Ressourcenverbrauch zu entwerfen.“

In seiner Stellungnahme entwickelt der Ethikrat ein Konzept zur Klimagerechtigkeit: Lasten und Pflichten im Kampf gegen den Klimawandel sollten so verteilt werden, dass möglichst alle Menschen jetzt und in Zukunft die Mindestvoraussetzungen für ein gutes und gelingendes Leben erreichen können. Die Bedürfnisse von Menschen, die davon noch am weitesten entfernt und am stärksten vom Klimawandel belastet sind, sollten dabei vorrangig berücksichtigt werden.

„Menschen tragen sehr unterschiedlich zum Klimawandel bei – schon allein das wirft große Gerechtigkeitsfragen auf“, erklärt Kerstin Schlögl-Flierl, Sprecherin der Arbeitsgruppe zur Klimaethik. „Das fängt schon innerhalb unserer Gesellschaft an. Wohlhabende Menschen fliegen öfter, während Menschen mit weniger Geld durch viele Klimaschutzmaßnahmen besonders belastet werden. International sehen wir große Unterschiede zwischen den hauptsächlichen Verursachern im globalen Norden und den Menschen im globalen Süden, die oft besonders unter den Folgen leiden. Und junge Menschen und Menschen, die noch nicht einmal geboren sind, werden in Zukunft drastische Klimafolgen zu ertragen haben, die vor allem jetzt und in der Vergangenheit verursacht wurden“, betont sie. „Belastungen und Verantwortlichkeiten müssen in allen drei Dimensionen – innergesellschaftlich, international und intergenerationell – gerecht verteilt werden.“

Klimawandel: Wer trägt die Verantwortung?

„Die Verantwortung von Einzelnen steht häufig im Mittelpunkt der Klimadebatte“, erklärt Armin Grunwald, stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe. „Aus unserer Sicht ist es allerdings unangemessen, die Bewältigung des Klimawandels allein von einzelnen Personen zu erwarten, etwa durch ihr Konsum- oder Mobilitätsverhalten.“ Der Deutsche Ethikrat verfolgt daher ein Konzept der Multiakteursverantwortung. Das beinhaltet klare Verantwortungszuschreibungen gegenüber dem Staat, privaten Organisationen wie Unternehmen und Individuen. Zentral ist dabei: Die Politik muss die gesellschaftlichen Verhältnisse und rechtlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass emissionsärmeres Verhalten ohne unzumutbare persönliche bzw. unternehmerische Belastungen möglich ist und dass Lasten gerecht verteilt werden.

„Wer leistungsfähiger ist – und möglicherweise auch mehr zum Klimawandel beiträgt –, muss mehr Verantwortung übernehmen und stärker in Vorleistung gehen“, betont Armin Grunwald. „Das betrifft sowohl Länder und Unternehmen als auch einzelne Menschen. In Anbetracht der außerordentlich schwerwiegenden Folgen einer ungebremsten globalen Erderwärmung wäre es geradezu unverantwortlich, erst aktiv zu werden, wenn andere nachziehen.“

Demokratischer Diskurs: Medien und Staat in besonderer Verantwortung

„Der Umgang mit dem Klimawandel belastet uns heute schon spürbar, auch in der öffentlichen Debatte“, sagt Alena Buyx. „Es ist sehr wichtig, Maßnahmen sozial gerecht zu gestalten und genau zu überlegen, wer dabei wofür verantwortlich ist. Gleichzeitig ist es unabdingbar, bei dieser riesigen Herausforderung konstruktiv und lösungsorientiert zu sein. Politik und Medien kommt da eine zentrale Rolle zu. Aber die neuen, positiven Lebensentwürfe, wie wir uns eine gute Zukunft vorstellen – die müssen wir alle gemeinsam entwickeln.“

Empfehlungen

Die 13 Empfehlungen der Stellungnahme greifen diese Themen auf und fordern einen auf Klimagerechtigkeit und Verantwortung fokussierten öffentlichen Diskurs zum Klimawandel sowie eine transparente und gerechte Verteilung von Lasten. Sie betonen die Verantwortung der deutschen Politik, sowohl innergesellschaftlich als auch international auf eine raschere, effektivere und gerechtere Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen hinzuwirken. Die Politik muss bessere Rahmenbedingungen schaffen, die Individuen und privaten Organisationen wie Unternehmen klimafreundliches Handeln erleichtern und die Belange junger und zukünftiger Menschen stärker berücksichtigen. Gleichzeitig verweisen die Empfehlungen auf die individuelle moralische Mitwirkungspflicht aller Menschen, zur Bewältigung des Klimawandels im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen Beitrag zu leisten. In einem Sondervotum erläutern drei Ratsmitglieder Aspekte, in denen sie von der Stellungnahme abweichen.