Krankenhäuser sollen die Belange behinderter Menschen berücksichtigen
Gemeinsam mit Betroffenen sowie Vertretern aus den Bereichen der Gesundheitsversorgung und Pflege sowie der Pflegeforschung hat der Ethikrat die aktuelle Debatte um Defizite der Krankenhausversorgung von Menschen mit Behinderung thematisiert und anhand bereits existierender, gut funktionierender Modelle nach Lösungsvorschlägen gesucht.
Irmgard Badura, die Beauftragte der bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, dankte in ihrem Grußwort dem Deutschen Ethikrat für seine Initiative, dieses Thema aufgegriffen zu haben. Denn die Versorgung von Menschen mit Behinderungen im Gesundheitswesen sei unzureichend. Badura forderte eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene, um eine Verbesserung der Krankenhausbehandlung von Menschen mit Behinderungen zu erreichen. Sie hoffte, „dass von der Veranstaltung des Ethikrates ein Impuls ausgeht, diese Ungleichbehandlung endlich zu beenden“.
Die Debattenbeiträge und Untersuchungen, in denen die Defizite in der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen aufgezeigt werden, sind in den letzten Jahren und vor allem seit Umgestaltung des Fallpauschalensystems im Jahr 2002 sehr zahlreich geworden: Medizinische Entscheidungen werden nicht selten über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen; das Pflegepersonal ist oft nicht auf die speziellen körperlichen und emotionalen Bedürfnisse der Patienten eingestellt; Patienten werden zu schnell aus der Krankenhausbehandlung entlassen. Die Kommunikation mit gehörlosen Menschen und solchen mit geistigen Beeinträchtigungen weist erhebliche Mängel auf.
Das Gesetz zur Pflegeassistenz im Krankenhaus von 2009 konnte das Problem nicht lösen, weil es lediglich denjenigen zugutekommt, die Geldleistungen aus der Pflegeversicherung beziehen und mit diesen Mitteln ambulante Pflegekräfte zu Hause selbst beschäftigen. Empfänger von ambulanten Pflegeleistungen als Sachleistungen oder Menschen, die bereits im Heim untergebracht sind, bekommen dagegen keine zusätzliche Assistenz im Krankenhaus.
Die Redner des Abends stimmten darin überein, dass es, ausgehend von verschiedenen Beispielen gelungener Praxis, nicht allein darauf ankommt, die finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser zu verbessern und die Krankenhausstrukturen den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen anzupassen. Dem ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Personal im Rahmen einer besseren Aus- und Fortbildung die nötigen fachlichen und kommunikativen Kompetenzen und vor allem auch eine Haltung zu vermitteln, die auf der Begegnung auf gleicher Augenhöhe beruht, wurde als ebenso wichtig erachtet.
Zu den konkreten Vorschlägen, die im Laufe der Veranstaltung zusammengetragen wurden, zählen eine angemessene Personalausstattung, eine koordinierende Patientenberatung, eine sinnvolle Kombination von Regelversorgung und spezialisierter Versorgung im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes, eine bessere Vernetzung der gesamten medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen sowie die Dokumentation des Mehraufwandes in der medizinischen Behandlung von Menschen mit Behinderungen. Empfohlen wurde auch, an jedem Krankenhaus die Stelle eines Behindertenbeauftragten zu schaffen.
Die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbarte Förderung medizinischer Zentren für erwachsene Menschen mit Behinderungen wurde in diesem Zusammenhang als richtiger und wichtiger Schritt in diese Richtung gewertet, den es weiter zu verfolgen gilt.
Konsens herrschte auch in der Frage, dass eine breite öffentliche Diskussion über dieses Thema, wie sie mit der Abendveranstaltung des Ethikrates in München angestoßen wurde, zu einer höheren Sensibilität aller Akteure des Gesundheitssystems beitragen und die Grundlage für konkrete Änderungen bilden kann.