Der Erhalt und die Verbesserung des Gesundheitszustands größerer Personengruppen oder auch der ganzen Bevölkerung eines Landes sind zentrale Aufgaben des Gesundheitswesens und bedeutende Ziele politischen Handelns. Mehr noch als in der Individualmedizin steht dabei das Anliegen der Prävention, also der Gesundheitsvorsorge, im Zentrum. Beispielsweise zielen Impfungen darauf ab, das Auftreten von Infektionskrankheiten, von denen viele die öffentliche Gesundheit erheblich gefährden können, von vornherein zu vermeiden. Aber auch die Förderung einer gesunden Ernährung sowie von Sport bzw. ausreichender Bewegung einerseits und Aufklärung über gesundheitsschädigende Verhaltensweisen, wie etwa das Rauchen, andererseits gehören zu den wichtigen Präventionszielen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge.
Fragen danach, wie vorhandene Ressourcen optimal zur Förderung der öffentlichen Gesundheit eingesetzt werden können, lassen sich oft nur im multidisziplinären Zusammenwirken medizinischer Teilgebiete, wie zum Beispiel Epidemiologie und Sozialmedizin, mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen, wie etwa Gesundheitsökonomie, Psychologie und Soziologie, beantworten. Auch der Ethik und den Rechtswissenschaften kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Beispielsweise treten bei Maßnahmen der öffentlichen Gesundheitspflege regelmäßig Konflikte zwischen den Interessen des Individuums und denen der Allgemeinheit auf, die neben ethischen auch grundrechtliche Fragen aufwerfen. In welchen Fällen könnte etwa eine Impfpflicht gerechtfertigt sein, mit der ein Eingriff in die körperliche Integrität vorgeschrieben wird, um den Schutz der Gesamtbevölkerung vor ansteckenden Krankheiten zu erhöhen? Oder in welchem Umfang dürfen mit den Regeln des Betäubungsmittelrechts individuelle Freiheitsrechte eingeschränkt werden, um die Gesellschaft vor den negativen Konsequenzen verbreiteten Drogenmissbrauchs zu bewahren?
Weitere normative Fragen stellen sich immer dann, wenn zur Förderung der öffentlichen Gesundheit beschränkte Ressourcen verteilt werden müssen, wobei neben Effizienzkriterien stets auch Aspekte der Gerechtigkeit und Solidarität zu berücksichtigen sind. Wie lässt sich beispielweise die Allokation der Mittel des solidarischen Gesundheitssystems sowohl nutzbringend als auch gerecht regeln? Oder anhand welcher Kriterien darf und sollte man im Pandemiefall Priorisierungsentscheidungen fällen, bei denen es darum geht, welche Bevölkerungsgruppen vorrangig mit knappen Medikamenten oder Impfstoffen versorgt werden sollten?