Arzneimittelforschung mit Kindern - Ethisch geboten oder bedenklich?
Wann
Mi, 21. September 2011, 18:00 Uhr
Wo
Veranstaltungsort
Zum Thema
Täglich werden Kinder mit Arzneimitteln behandelt, die nur für Erwachsene zugelassen sind. Das bedeutet, dass oft nur geringe Kenntnisse über die wirksame und sichere Dosierung bei Kindern vorhanden sind und es an geeigneten Darreichungsformen mangelt. Nach aktuellen EU-Angaben ist mehr als die Hälfte der für Kinder verwendeten Arzneimittel nicht für diese zugelassen. Dies widerspricht dem Recht der Kinder auf eine angemessene und sichere Versorgung mit Arzneimitteln. Um dieses Defizit zu beseitigen, wären mehr klinische Studien mit Kindern erforderlich. Gleichzeitig hat die Forschung mit Kindern aber auch eine besondere ethische Brisanz sowohl für die betroffenen Kinder als auch für ihre Eltern und Ärzte, zumal wenn es um Forschung zum Nutzen Dritter geht.
Ende Januar 2007 trat die EU-Verordnung über Kinderarzneimittel in Kraft, die für jedes neu zuzulassende Arzneimittel ein pädiatrisches Prüfkonzept vorschreibt, in dem das geplante Entwicklungsprogramm für eine Anwendung an Kindern dargelegt wird. Dies soll zu einer besseren Versorgungssituation mit Kinderarzneimitteln führen. Zugleich bestehen aber nach wie vor Vorbehalte, Kinder, die selbst keine rechtswirksame Einwilligung in ihre Einbeziehung in die Forschung erteilen können, den Risiken von Arzneimittelstudien auszusetzen.
Mit dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgerufenen Wissenschaftsjahr 2011 zur Gesundheitsforschung soll der Dialog über die Chancen und Perspektiven der Forschung für unsere Gesundheit, aber auch die damit verbundenen ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen in die breite Öffentlichkeit getragen werden. Als Beitrag zum Wissenschaftsjahr möchte der Deutsche Ethikrat im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Forum Bioethik“ auf die bestehende Situation zur Arzneimittelforschung mit Kindern aufmerksam machen und zur Diskussion einladen. Dabei sollen folgende Aspekte im Vordergrund stehen:
- Ist der Einsatz eines Arzneimittels außerhalb der genehmigten Anwendungsgebiete (off-label-use) bei Kindern ethisch vertretbar?
- Ist die Arzneimittelforschung mit Kindern angesichts der gegenwärtigen Versorgungssituation ethisch vertretbar oder sogar geboten?
- Welche Risiken der Arzneimittelforschung mit Kindern sind zu bedenken?
- Darf man ein krankes Kind zum künftigen Nutzen für die betreffende Patientengruppe den Risiken einer medizinischen Studie aussetzen?
- Brauchen wir eine verstärkte Aufklärung der Betroffenen über pädiatrische Studien und müssen diese besser betreut werden?
Nach einführenden Vorträgen über die letzten Novellen des Arzneimittelrechts, deren Umsetzung in die Praxis und ethisch relevante Erwägungen sollen diese Fragen auf dem Podium und im Dialog mit dem Publikum diskutiert werden. Es ist das Anliegen des Deutschen Ethikrates, das Thema „Arzneimittelforschung mit Kindern“ der Öffentlichkeit nahezubringen und zur Aufklärung betroffener Eltern beizutragen.
Programm
Begrüßung und Einleitung
Prof. Dr. iur. Jochen Taupitz · Mitglied des Deutschen Ethikrates
Präsentation
Vorträge
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Wolfgang Rascher · Kommission Arzneimittel für Kinder und Jugendliche am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn; Kinder- und Jugendklinik, Universitätsklinikum Erlangen
Präsentation
Prof. Dr. med. Angelika Eggert · Westdeutsches Tumorzentrum, Universitätsklinikum Essen
Präsentation
Prof. Dr. iur. Jochen Taupitz · Mitglied des Deutschen Ethikrates
Präsentation
Prof. Dr. med. Georg Marckmann, MPH · Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Ludwig-Maximilians-Universität München
Präsentation
Prof. Dr. med. Claudia Wiesemann · Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Georg-August-Universität Göttingen
Audioprotokoll (13,9 MB)
Präsentation
Dr. rer. nat. Siegfried Throm · Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Berlin
Präsentation
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Dietrich Niethammer · Stiftung für kranke Kinder Tübingen, Dietrich-Niethammer-Stiftung
Präsentation
Podiumsdiskussion
Moderation: Prof. Dr. iur. Jochen Taupitz · Mitglied des Deutschen Ethikrates